Vorwort:
Die Waisenhausstiftung Siloah in Isny ist das Ergebnis von mehr als 100 Jahren harter Arbeit. Diese Arbeit leisteten Menschen, die als Mitarbeiter, Mitglieder und ehrenamtliche Helfer einen Verein unterstützten, dessen Ziel es war elternlosen Kindern Orientierung und Heimat zu bieten. Seinen Ursprung fand der Evangelische Waisenhausverein Siloah e.V. im Oktober 1910 als in einem kleinen Ort namens Neu-Pasua in der Nähe von Belgrad, im heutigen Serbien, das Waisenhaus Siloah gegründet wurde.
Vom Kaiserreich bis zur Gründung des Waisenhauses Siloah
Diese Gründung war eine Konsequenz aus der Geschichte Österreichs und Deutschlands. 1781 setzte der österreichische Kaiser Joseph II die Erschließung der neu hinzugewonnenen Gebiete auf dem Balkan fort. Durch die Liberalisierung religiöser Vorgaben und die finanzielle und materielle Förderung von Einwanderungswilligen, insbesondere aus Deutschland, sollte eine dichtere Besiedlung in den Gebieten geschaffen werden.
Die schiere Not trieb 1790 viele protestantische Familienaus dem südwestdeutschen RaumRichtung Balkan. Nach einer langen, strapaziösen Reise fanden sie unter widrigsten Bedingungen ein neues Stück Lebensraum in der Nähe von Belgrad. Dort errichteten die Ankommenden mit unvorstellbarem Fleiß, begleitet von einer enormen Sterblichkeit, das Dorf Neu-Pasua. Immer mehr Menschen erreichten das Dorf. Es wuchs stetig und auch als der österreichische Kaiser die weitere Ansiedlung von Protestanten in diesem Gebiet untersagte, ging der Bevölkerungszuwachs weiter.
Religiosität und kirchliches Gemeindeleben prägten den Zusammenhalt des Dorfes. Ein Teil der aus dem württembergischen Raum stammenden Bürger waren stark durch den Pietismus nach Johann Michael Hahn geprägt. Über den geistlichen Aspekt des Glaubenshinaus verlangt der Pietismus nach Engagement auf diakonischem Gebiet als Ausdruck gelebten Glaubens.
So verwundert es nicht, dass der Aufruf des dort ansässigen Pfarrers Franz Morgenthaler und eines prominenten Mitstreiters namens Samuel Schuhmacher ein Waisenhaus zu errichten, in Neu-Passua auf fruchtbaren Boden viel. In unterschiedlichster Weise engagierten sich die Bürger bei der Organisation, Finanzierung und Errichtung eines Gebäudes. 1912konnten dann die seit 1910 in einem Provisorium lebenden Waisenkinder in das neue Haus einziehen.
Das Waisenhaus während des 1. und 2. Weltkrieges
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges endete diese Lebenssituation für die Kinder. Die Waisenhausfamilie wurde wegen kriegerischer Bedrohung evakuiert und dadurch auseinandergerissen. Erst 1921 konnte das alte Gebäude nach gründlicher Sanierung wieder bezogen werden.
Nach dem Tod des Pfarrers Morgenthaler übernahm Samuel Schuhmacher den Vorsitz des Waisenhausvereines und warb eine Vielzahl neuer Mitglieder und Engagierter.
Die Nachfrage nach Waisenhausplätzen stieg stetig. Die Zahl der Kinder lag zu Beginn des Zweiten Weltkrieges bei gut 20, die vom Hausvater Karl Mittermayr und seiner Frau betreut wurden. Schon bald nach Beginn des Krieges traf der Hausvater in weiser Voraussicht Vorkehrungen für eine Flucht aller Bewohner. Sein Fluchtziel waren die Rummelsberger Anstalten in der Nähe von Nürnberg. Am 4. Oktober 1944 begann für 38 Personen die Flucht in einem eigens organisierten Wagon. Eine Woche später, morgens um halb acht, endete sie nach größten Strapazen auf dem Bahnhof von Ochenbruck. Leider war das Ziel auf Grund diverser anderer Evakuierter völlig überfüllt und so dauerte es eine weitere Woche bis das nicht winterfeste Erholungsheim „Haus Abspann“ zur Verfügung stand. In Eigenleistung wurde es winterfest gemacht und konnte bis zum Sommer und damit bis Ende des Krieges genutzt werden.
Der Start in der Bundesrepublik Deutschland
Im Sommer 1945 organisierte die Innere Mission Bayern ein neues Gebäude, die Weihersmühle bei Buchau in Franken. Nach einigen Baumaßnahmen zur besseren Wasserversorgungwurde es für inzwischen 50 Personen zum neuen Zuhause.
Ende März 1946 rückten Soldaten an und wollten alle Kinder zurück nach Jugoslawien schicken. Dazu brachte man sie zunächst in ein Jugendlager nach Indersdorf bei Dachau und verlegte sie später nach Prien am Chiemsee.
Nach einer Vielzahl von Schikanen und Unwägbarkeiten schaffte es die Familie der Hauseltern im Sommer 1946 alle Kinder durch Flucht aus dem Lager wieder zu vereinen und gemeinsam in die Weihersmühle zurück zu kehren. Die Abschiebung der Kinder war inzwischen aufgehoben worden.
Durch das Pachtangebot eines Schlosses mit kleiner Landwirtschaft im Ort Weismain in Oberfranken erschien 1950 ein echter Neustart möglich. Dafür wurde am 20. Februar 1950 der Waisenhausverein aus Jugoslawien reaktiviert und unter dem Namen Evangelischer Waisenhausverein Siloah e.V.neu gegründet. Nach Intervention des langjährigen Förderers des Siloah Waisenhauses und ehemaligem Franzfelder Bischofs Franz Hein wurde der Neustart dann aber doch nach Württemberg verlegt. Er überzeugte seine Mitstreiter nicht zuletzt mit dem Argument, dass es Zeit für die Neu-Pasuaner sei, in das Herkunftsgebiet ihrer Vorfahren, den süddeutschen Raum, zurück zu kehren.
So wurde 1951 in Eglofstal, einem Ort nahe Wangen im Allgäu, in Eigenleistung und mit Mitteln des Landesamtes für Soforthilfe Tübingen das ehemalige Amtshaus des Fürsten Windischgrätz gekauft und grob hergerichtet. Zu Weihnachten konnten die Kinder mit ihren Pflegeeltern Mittermayr einziehen. Das Provisorium war mit Hilfe vieler Kirchenvertreter und Ehrenamtlicher notdürftig möbliert worden. Erst 1952 begannen die eigentlichen Umbauarbeiten.
Am 1. Mai 1953, dem Tag der Einweihung, lag die Aufnahmekapazität des Hauses bei 70 Kindern. Der Standortwechsel von Bayern nach Württemberg machte eine Änderung der Vereinssatzung notwendig, die anschließend durch den neugewählten Vereinsvorstand Franz Hein in den kommenden 20 Jahren bis 1971 vertreten wurde.
Mit der vergrößerten Aufnahmekapazität erschloss sich der Verein ein weiteres Aufgabengebiet. Jetztsollten Kinder aufgenommen werden, die als Spätaussiedler aus Jugoslawien bereits jahrelang in Lagern zu jugoslawischen Kommunisten umerzogen worden waren. Dabei hatten sie entsetzliche Gräueltaten erleben müssen, Eltern und Angehörige verloren und wurden von Geschwistern mit Vorsatz getrennt. So traumatisierte Kinder sollten nun in Siloah zurück in ein besseres Leben geführt werden. Da die meisten Kinder der deutschen Sprache nicht mächtig waren, gründete das Waisenhaus eine spezielle Förderschule. Das führte zu Platzmangel, denn von den 70 Kindern besuchten allein 54 den Förderunterricht. Der Verein beschloss 1954 den Neubau eines Schulhauses mit zwei Klassenräumen.
Die Einweihung war am 25. September 1955. Durch die intensive Nutzung der Gebäude kam es schnell zu weiterem Renovierungs-und Sanierungsbedarf. Zwar gab es eine Vielzahl an Förderern und Unterstützern, doch der Bedarf war größer als das Vermögen. So lebten die Kinder und Mitarbeiter weiterhin in provisorischen und zunehmend enger werdenden Verhältnissen, denn die Zahl der Aufnahmeanträge riss nicht ab. Der Verein bemühte sich um Großspender und fand diese z. B. im Gustav-Adolf-Werk, das bereits zu Zeiten Neu-Passuas aktiv war und auch indem Stuttgarter Evangelischen Sonntagsblatt. Der Verein kaufte mit Unterstützung staatlicher Gelder und Freundesgruppen aus den USA die Villa Dentler in Wangen, um so die Förderschule zu entlasten und damit 40 weitere Plätze zu schaffen.
Die Diversifizierung des Angebotes des Waisenhausvereins Siloah führte Anfang der 1960 Jahre zu einer Umbenennung der einzelnen Einrichtungen und Gebäude und nur der Verein selbst, als Betreiber der Einrichtungen, behielt seinen Namen bei.
Zur gleichen Zeit ließ der Strom von Spätaussiedlern nach, das Hauselternpaar wechselte nach 23 Jahren und mit dem Ehepaar Steinestel wurde das Stammhaus in Eglofstal wieder entsprechend den Traditionen des Waisenhauses für hilfsbedürftige Kinder geöffnet.
Mit dieser konzeptionellen Anpassung stieg die Nachfrage so stark, dass bis zu 300 Anfragen abgelehnt werden mussten. Es reifte der Plan, alle Einrichtungen an einem Standort zentral neu und erweitert zu errichten.
Konkret wurde es dann 1962 als dem Waisenhausverein ein Baugelände in Erbpacht durch die Evangelische Hospitalstiftung der evangelischen Kirchengemeinde Isny angeboten wurde. Unterstützt wurden die Bestrebungen u. a. durch den Biberacher Diasporapfleger, der in seiner evangelischen Gemeinde zum Beitritt in den Unterstützerkreis des Waisenhausvereins aufrief. Auch das Gustav-Adolf-Werk und die württembergische Kirchenleitung signalisierten Unterstützungsbereitschaft. Die Unterstützung der Behörden stand angesichts fehlender Heimplätze außer Frage.
Nach vier Jahren Planungsphase war es am 22. August 1964soweit: Es erfolgte der erste Spatenstich für das Kinderdorf Siloah. Für den ersten Bauabschnitt, bestehend aus Gruppenhäusern, Wirtschaftsgebäude, Heim-und Verwaltungsleiterwohnung sowie Mitarbeiterwohnungen mit Verwaltungsteil, standen 5 Millionen DM zur Verfügung.
Zum Jahresende 1968 waren alle Gruppenhäuser mit insgesamt 175 Kindern, im Alter zwischen 2 und 19 Jahren, bezogen. Der Bau des Schulgebäudes war 1970 abgeschlossen und wurde Anfang 1971 mit diversen Spiel-und Sportstätten gemeinsam eingeweiht.
Der Übergang in die Waisenhausstiftung Siloah
Seit 1971 konzentriert sich die Geschichte des Waisenhausvereins Siloah auf den Ort Isny im Allgäu. Hier wird deutlich, dass die über 100 jährige Geschichte des Vereins auch ein Spiegel der Geschichte der Pädagogik mit ihren Traditionen, Aufbrüchen, Veränderungen, Haltungen und Werten ist. Menschliche Stärken und Schwächen wurden deutlich, Macht und Ohnmacht gelebt und erlebt, Recht und Unrecht gesprochen, Hochmut und Demut gelebt.
So beschloss die Mitgliederversammlung des evangelischen Waisenhausvereins Siloah e.V. im Jahr 2009 den Verkauf des Kinderdorfes an die Jugendhilfe „der Zieglerschen “in Wilhelmsdorf und die Überleitung des Vereins in eine Stiftung.
Aus dem Evangelischen Waisenhausverein Siloah e. V. wurde am 24. Juni 2013 die “Waisenhausstiftung Siloah Isny im Allgäu“.
Präambel
Die Stiftung steht in der Tradition des 1910 in Neu-Pasua gegründeten Waisenhauses Siloah und ihres Stifters, des Evangelischen Waisenhausvereines Siloah e. V. in Isny im Allgäu, der sich in der Wahrnehmung evangelisch christlicher Verantwortung den ganzheitlichen Dienst an Kindern sowie jungen und hilfsbedürftigen Menschen und Familienim Sinne diakonischen Handelns zur Aufgabe gemacht hat.